Wenn der Körper nicht mehr zuhört – Die stille Last chronischer Schmerzen und wie die Physiotherapie neue Wege eröffnet
Ein Einblick aus der Physiopraxis in Uster.
Schmerz, den niemand sieht.
„Ich sehe gesund aus, aber ich fühle mich kaputt.“
Diesen Satz habe ich als Physiotherapeutin schon oft gehört. Und jedes Mal berührt er mich aufs Neue. Chronische Schmerzen sind nicht nur ein medizinisches Problem – sie sind eine stille Krise im Leben vieler Menschen. Es sind Schmerzen, die bleiben, auch wenn die Verletzung längst verheilt ist. Schmerzen, die kein Bild und kein Blutwert zeigen kann. Und gerade deshalb werden sie oft missverstanden.
Was viele nicht wissen: Schmerz kann sich ein eigenes Leben aufbauen.
Chronische Schmerzen sind nicht einfach „verlängerte akute Schmerzen“. Sie verändern das Nervensystem. Das Gehirn beginnt, Schmerz zu „lernen“ – so wie man Fahrradfahren lernt. Es entsteht eine sogenannte neuronale Plastizität des Schmerzes: Das Nervensystem wird empfindlicher, das Schmerzgedächtnis stärker. Schon kleinste Bewegungen, Berührungen oder Stress können dann echte Schmerzen auslösen.
Das ist keine Einbildung. Es ist eine biologische Realität. Und genau hier kann die moderne Physiotherapie eingreifen – nicht nur körperlich, sondern auch edukativ und emotional.
Das Unsichtbare sichtbar machen: Was Patient:innen erleben.
Menschen mit chronischem Schmerz erleben oft Ablehnung oder Unverständnis:
Viele ziehen sich zurück. Sie hören auf, Sport zu machen, soziale Kontakte zu pflegen oder ihren Beruf auszuüben. Die Angst vor Schmerz wird grösser als der Schmerz selbst – und genau diese Angstvermeidung macht vieles schlimmer.
Physiotherapie als Türöffner: Bewegung neu verstehen lernen.
Als Physiotherapeutin habe ich die Chance, den Menschen dort zu begegnen, wo oft niemand mehr hinhört:
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Wir analysieren nicht nur den Bewegungsapparat, sondern auch Bewegungsvermeidung.
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Wir helfen, die Zusammenhänge zwischen Stress, Atmung, Haltung und Schmerz zu verstehen.
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Wir bringen Bewegung zurück – nicht als Therapie, sondern als Vertrauensaufbau zum eigenen Körper.
Ein Beispiel: Manche Patient:innen reagieren schon auf einfache Bewegungen mit Schmerz – nicht weil das Gewebe verletzt ist, sondern weil das Nervensystem überreizt ist. Dann beginnen wir mit Atemtherapie, Spiegeltherapie, gezielter Aufklärung – und langsam wird der Schmerz entmachtet.
Ein Blick in die Zukunft – und was wir brauchen
Chronische Schmerzen sind kein Schicksal. Doch sie brauchen ein interdisziplinäres, langfristiges Denken:
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Zusammenarbeit mit Ärzten, Psycholog:innen, Ernährungsberatung.
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Fortbildungen für Therapeut:innen im Bereich Schmerzpädagogik.
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Mut, über „unsichtbare“ Themen zu sprechen.
Fazit: Ich glaube dir. Und ich gehe mit dir.
Der erste Schritt zur Heilung ist nicht immer eine Übung oder ein Gerät.
Manchmal ist es ein Satz:
„Ich glaube Ihnen.“
Und dann beginnt der Weg – nicht zurück in ein schmerzfreies Leben, aber in ein freieres Leben mit Schmerz. Und das ist für viele schon ein riesiger Sieg.
1. Ein besonderer Aspekt: „Schmerz als Schutzmechanismus – der Körper meint es gut, aber übertreibt“.
Unser Nervensystem ist wie ein „Alarmanlage-System“. Bei chronischem Schmerz ist der Alarm viel zu empfindlich eingestellt.
Selbst harmlose Bewegungen (z. B. Schuhe binden) lösen dann Schmerz aus, weil das Gehirn sie fälschlich als gefährlich interpretiert.
Physiotherapie hilft dabei, diesen Alarm neu zu justieren.
Mit Bewegung, Aufklärung und Vertrauen.
2. Neue Forschung: „Schmerz-Neurowissenschaftliche Education (PNE)
Ein neuer Ansatz, der in der Schweiz noch wenig bekannt ist – aber sehr effektiv!
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Die Patient:innen lernen, was Schmerz wirklich ist (nicht nur „Schaden“).
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Studien zeigen: Allein durch Wissen über Schmerz sinkt die Schmerzintensität.
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Kombiniert mit aktiver Therapie bringt es deutlich bessere Ergebnisse.
3. Einfühlsames Beispiel aus der Praxis (anonymisiert)
„Ein Mann kam zu mir mit chronischen Rückenschmerzen. Seit über 10 Jahren hatte er jeden Tag Schmerzen – keine Struktur war auffällig, alle Therapien wirkten nur kurz. Er sagte: ‚Ich fühle mich wie ein Gefangener in meinem Körper.‘
Wir begannen ganz vorsichtig mit Atemübungen, Lymphgriffen, edukativen Gesprächen und kleinen Bewegungen mit Musik. Heute trainiert er regelmässig, kann wieder mit seiner Tochter spazieren gehen und sagt: ‚Ich vertraue meinem Rücken wieder.‘“
4. Emotionale Belastung: Was man nicht sieht.
Viele Patient:innen entwickeln:
Wichtig:
Als Physiotherapeutin bist du oft die erste Person, die diese Signale erkennt.
Du kannst Brücken bauen – z. B. zur Psychotherapie oder Schmerzklinik.
5. Was du Patient:innen mitgeben kannst – praktische Tipps.
„Fünf Dinge, die du dir bei chronischem Schmerz merken solltest“
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Dein Schmerz ist echt – auch wenn man ihn nicht sieht.
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Bewegung kann helfen – in deinem Tempo, ohne Druck.
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Du bist nicht allein. Millionen Menschen erleben Ähnliches.
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Es gibt Wege – vielleicht nicht zurück, aber nach vorne.
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Heilung heißt manchmal: Frieden mit dem Körper zu schliessen.
Gerne sind unsere spezialisierten Therapeuten bereit sie mit einer ärztlichen Verordnung oder in einer privaten Physiotherapieeinheit
zu beraten Ihnen bei Ihren Beschwerden weiterzuhelfen.
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