„Mir ist da was rausgesprungen“ oder „Ich glaube, der Wirbel ist draussen.“ Diese Sätze sind im Alltag eines Therapeuten öfter zu hören.
Hatten auch sie schon einmal die Vermutung, dass z.B. ein Wirbel oder ihr Iliosakralgelenk „raus“ oder „rausgesprungen“ ist? Kann das überhaupt sein?
Gehen wir der Sache auf den Grund.
Tatsächlich gibt es Gelenke, die „ausgerenkt“ sein oder „rausspringen“ können.
Beispielsweise kann das Schultergelenk luxieren („ausrenken“). Hierbei wird durch eine starke Krafteinwirkung bei einem traumatischen Geschehen der Oberarmkopf aus der Schultergelenkspfanne gerissen.
Mit einer speziellen Grifftechnik kann das Gelenk aber meist ohne operativen Eingriff wieder reponiert („eingerenkt“) werden, sofern keine grossen Weichteilverletzungen vorliegen. Eine solche Luxation kommt sehr selten vor und betrifft, wie schon erwähnt, nur wenige Gelenke, die dies anatomisch und biomechanisch überhaupt ermöglichen. Die meisten anderen Gelenke im Körper können durch die alltägliche Kraftbelastung ohne traumatisches Ereignis aufgrund ihrer anatomischen Begebenheiten jedoch gar nicht luxieren oder dislozieren.
Wahrscheinlicher ist eher, dass die Gelenke entzündet, steif oder unbeweglich, aber niemals (ausser im oben erwähnten Fall) „ausgerenkt“ oder „raus" sind. Modelle der Wirbelsäule bilden meist nicht die besonders starken und kräftigen Muskeln und Unterstützungsbänder, die die Wirbelsäule umgeben, ab. Diese sorgen nämlich für extreme Stabilität und Widerstandsfähigkeit und lassen eine Luxation bzw. ein „Ausrenken" aufgrund ihrer soliden Struktur im normalen Fall niemals zu.
Neuzeitliche bildgebende Diagnostik, wie beispielsweise Computertomographie oder Kernspintomographie konnten nachweisen, dass bei Patienten mit „Blockadegefühl“ oder dem Gefühl, dass etwas „ausgerenkt“ ist, keine Subluxations- oder Luxationsstellung des Wirbels zu erkennen ist. Was sich zeigte, sind aber minimale Gelenkergüsse in den Gelenkkapselstrukturen der Facettengelenke (kleine Gelenke zwischen den Wirbelkörpern).
Reflektorisch wird in diesem Fall der Muskeltonus (die Muskelspannung) der lokalen, umliegenden Strukturen erhöht und bewirkt, dass sich die Partie für den Betroffenen steif und unbeweglich anfühlt.
Ein chiropraktischer Eingriff oder manipulatives Einwirken in diesem Gebiet kann hierbei ein kurzes Auseinanderweichen der Gelenkflächen voneinander, die durch die erhöhte Muskelspannung fest zusammengehalten wurden, bewirken. Das „Knack“-Geräusch, welches teilweise lautstark zu hören ist, beruht auf dem Entstehen eines Unterdrucks im Gelenk. Teile der Gelenkflüssigkeit ändern ihren Aggregatzustand und werden gasförmig, wodurch das schmerzfreie „Knacken“ zu hören ist.
Eine intensive Manipulationstechnik bewirkt eine starke Reaktion des Gehirns (im sensomotorischen Kortex), wodurch es zu einer zentralnervösen Anpassung und anschliessend zu einer reflektorischen Entspannung der umliegenden Strukturen kommt. Damit kann ein geringerer Druck auf die Gelenkflächen erzielt werden – es folgt eine Schmerzlinderung. In vielen Fällen ist diese Linderung jedoch nur kurzzeitig und nach geringer Zeit klagen viele Patienten erneut über ihre Schmerzsymptomatik. Ausserdem braucht es meist keine chiropraktische Intervention, um dieses Beschwerdebild zu behandeln.
Durch physiotherapeutische Techniken wie z.B. Triggerpunkttherapie, Boeger-Therapie, Manuelle Therapie, Dehnungen usw. lassen sich die Spannungen so stark senken, dass sich die Schmerzen auflösen und das „Blockadegefühl“ verschwindet.
Um einer erneuten Verschlechterung der Symptome entgegenzuwirken und einen nachhaltigen Therapieerfolg zu erzielen, sollte ihr Therapeut mit ihnen ein individuelles Übungsprogramm erarbeiten, welches regelmässig eigenständig von Ihnen ausgeführt und in der Therapie kontrolliert wird. Allenfalls ist ein anschliessendes Training mit MTT indiziert, um den Therapieerfolg zu stabilisieren.
Anzumerken ist dennoch, dass es weitere Differentialdiagnosen gibt, die für eine solche oder ähnliche Symptomatik sorgen können. Im Fall von unerklärlichen zusätzlichen Symptomen wie Taubheitsgefühlen, Kraftverlust oder Sensibilitätsstörungen sollte in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden.